Mit Die Reise zum Mond schuf der französische Filmpionier Georges Méliès im Jahr 1902 einen Stummfilm, der sich erstmalig dem Thema der Außerirdischen annahm. Über hundert Jahre später, nach Klassikern wie Die unheimliche Begegnung der dritten Art oder Ridley Scotts Alien, erschuf Jonathan Glazer in seinem Sci-Fi-Meisterwerk UNDER THE SKIN, das am 10. Oktober 2014 als DVD, Blu-ray und VoD erscheint, das bisher wohl sinnlichste Alien der Filmhistorie – gespielt von niemand geringerem als Hollywoodschönheit Scarlett Johansson. Die Transformation vom „Es“ zum „Sie“ ist derart fließend, dass der Zuschauer über das Verhalten von Laura lange im Dunkeln tappt. Was das Alien so speziell macht und welche Eigenschaften besonders einprägsam sind, erfährst du hier:
„Es war wie eine Achterbahnfahrt.“
Scarlett Johansson
Roter Lippenstift
Rote Lippen soll man küssen. Das denkt sich auch Laura, die weiß, wie sie ihre Reize perfekt ausspielen kann. In UNDER THE SKIN sollte man(n) sich allerdings vor ihren Lippen gehörig in Acht nehmen. Denn bevor es überhaupt zum ersten Lippenkontakt kommt, hat man wahrscheinlich schon das Zeitliche gesegnet. Dabei stellt sich Johanssons Charakter derart geschickt an, dass man sich selbst als Zuschauer die Frage stellt: „Wäre ich auch mit dieser geheimnisvollen Frau mitgegangen?“
Alter Pelzmantel
Woher soll ein Alien wissen, wie man sich stilvoll auf der Erde kleidet? Und woher soll es wissen, dass Pelze kaum noch gern gesehen sind? Regisseur Jonathan Glazer entschied sich, Scarlett Johanssons Charakter deshalb so auffällig zu kleiden, um den Aspekt der Fremdheit zu unterstreichen. Laura ist fremd auf unserem Planeten und weiß anfangs nicht, wie sich Menschen verhalten und was sie von anderen Lebewesen unterscheidet. Vielleicht unterstreicht der Pelz aber auch den ausgeprägten Jagdtrieb der Protagonistin auf Männer…
Mimik & Körpersprache
Verlangen und Appetit – das strahlt Laura aus. Gerade ihre Mimik ist besonders ausdrucksstark. Hochkonzentriert macht sich die Femme Fatale in einem Lieferwagen auf die Suche nach ahnungslosen und willigen Opfern. „Emotionen beschreiben oftmals eine Figur bis aufs kleinste Detail“, so Scarlett Johansson über ihre Figur. Ihre Entwicklung von Filmbeginn bis hin zum Finale ist durch die Mimik und Gestik und die damit verbundenen Emotionen deutlich spür- und greifbar. So anziehend und verführerisch Laura auch auf ihre männlichen Opfer wirken mag, genauso bedrohlich wirkt sie auch auf den Zuschauer.
„Sie [Scarlett Johansson] musste sich wirklich bedingungslos darauf einlassen, und das hat sie auch getan – in jeder Hinsicht. Dadurch wirkt ihre Darstellung völlig unverfälscht und lebensnah.“
Jonathan Glazer
Sprache & Stimme
Laura redet nur, wenn sie muss – nämlich dann, wenn sie Männer mit ihrer verlockenden Stimme in den Tod treibt. Dabei spricht sie die menschliche Sprache mit Perfektion, als hätte man sie programmiert. In den Szenen, in denen die unwiderstehliche Laura mal nicht auf Männerfang ist, verhält sie sich eher unsicher, selbstversunken und schweigsam, und erinnert dabei eher an ein verschrecktes Tier. Gefangen in einer fremden Haut und verloren in den Wäldern Schottlands.
Das Schneewittchen unter den Aliens
Eine Haut so weiß wie Schnee, Lippen so rot wie Blut und das Haar so schwarz wie Ebenholz – Scarlett Johanssons Laura gleicht einem Ebenbild Schneewittchens. Auch inhaltlich findet der Zuschauer immer wieder Parallelen zum Märchen der Gebrüder Grimm. So wird das Publikum das Gefühl nicht los, dass sie auf die Erde verstoßen wurde, um lediglich die „Drecksarbeit“ zu erledigen. Dabei fühlt sie sich in dieser Welt verloren und fremd. Ein Trauerspiel mit fatalen Folgen. Und ein faszinierendes Kunstwerk zwischen rauer Realität und surrealer Schönheit, das definitiv unter die Haut geht.
„Es geht um Einsamkeit, aber auch um tiefe Verbindungen zwischen Menschen und Ereignissen.“
Scarlett Johansson
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Inhalt
Ihr Zuhause ist die Straße, die Nacht ihr Verbündeter: In einem Lieferwagen fährt Laura (Scarlett Johansson) allein durch Schottland. Pechschwarzes Haar, blutrote Lippen, ständig auf der Suche nach Beute. In grellen Clubs, auf Parkplätzen und in dunklen Gassen findet sie immer willige Opfer: einsame, gelangweilte Männer, die auf schnellen Sex hoffen und der überirdischen Schönheit nichtsahnend in die Falle gehen. Wenn sie begreifen, was sie erwartet, ist es bereits zu spät: Die verführerische Vagabundin ist nicht von dieser Welt, und auf ihrem Heimatplaneten herrschen ganz spezielle kulinarische Vorlieben… Doch allmählich kommen Laura Zweifel an ihrer tödlichen Mission.
Kritk
Scarlett Johansson scheint die Rolle der Femme fatale auf dem Leib geschrieben worden zu sein. Verführerisch mit bestechender Sinnlichkeit, lockt sie Männer in ihr “Nest”. Ein Prozess der sie auf Erden, weit weg vom Heimatplaneten, am Leben erhält. Glazers ungewöhnliches Werk zeichnet sich vor allem durch seine sehr abstrakte Ästhetik aus: intensiv wurde mit versteckter Kamera und realen Passanten gedreht, wodurch die subtile Atmosphäre der Bedrohlichkeit stark gesteigert wird und Johansson als Laura mit ihren roten Lippen aus der Masse heraussticht. Glazers Szenerie im fahlen Licht unter dem grau verhangenen Himmel über Schottland spiegelt genau eine raue und gefährliche Schönheit – so wie seine Protagonistin – wieder. Beeindruckend spielt Johansson die überirdische Schönheit, auch wenn es daran geht, sich vor der Kamera zu entblößen und ihren fremden Körper zu erforschen sowie die Taten, die sie von Nacht zu Nacht vollzieht, zu verstehen. UNDER THE SKIN ist ein suggestiv-mysteriösen Science-Fiction-Film, den es in dieser Form noch nicht gab und garantiert nicht bei allen für Verständnis sorgen wird, aber kreativ ein Hingucker ist.
Fazit: Ein verstörendes wie gleichsam visionäres Porträt über eine überirdisches Wesen im Körper eine wunderschönen Frau, dass – um zu überleben – jede Nacht Männer verführen muss. Glazers Film ist ein Kunstwerk, das beim genauen Betrachten von Mal zu Mal schöner wird.
Originaltitel: UNDER THE SKIN Produktionsland/-jahr: UK 2013 Laufzeit: 108 min Genre: Science-Fiction, Drama, Horror Regie: Jonathan Glazer Drehbuch: Walter Campbell, Michel Faber Kamera: Daniel Landin Verleih: Senator
Wer schon immer einmal die Welt mit den Augen einer Außerirdischen erleben wollte, sollte UNDER THE SKIN auf gar keinen Fall verpassen – ab dem 10. Oktober 2014 als DVD, Blu-ray und VoD.
(Quelle: Film Invasion)
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