Stereo

STEREO | Beinharter Psychotrip mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu

Regisseur Maximilian Erlenwein schickt seine beiden Hauptdarsteller in berauschenden Bildern zwischen Wahn und Wirklichkeit auf einen rasanten Leinwandtrip. STEREO zeigt Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu in Höchstform.

Stereo

© EuroVideo

Inhalt

Erik (Jürgen Vogel) hat sich aufs Land zurückgezogen und genießt die Idylle mit Freundin Julia (Petra Schmidt-Schaller) und deren kleiner Tochter. Hier kann er runter kommen und sich um seine Motorradwerkstatt kümmern. Doch seine scheinbar heile Welt findet ein jähes Ende als der schräge Henry (Moritz Bleibtreu) in Eriks Leben tritt. Er ist wie ein Parasit und treibt Erik an den Rand des Wahnsinns. Als dann auch noch weitere zwielichtige Gestalten auftauchen, die vorgeben Erik zu kennen, droht sein Leben komplett aus den Fugen zu geraten. In die Ecke gedrängt, scheinbar ohne Ausweg, bleibt Erik schließlich nichts anderes übrig, als sich doch auf den geheimnisvollen Henry einzulassen. Aber kann man Henry trauen?

Kritik

In den Augen vieler Kinozuschauer befindet sich das Kinodeutschland in einer festgefahrenen Situation. Während originelle Ideen den Weg ins Kino gar nicht oder nur mühsam schaffen und Nischenkunst für diverse Filmfestivals bleiben, sieht eine Filmemachergeneration rund um Schweiger und Schweighöfer die Chance und verdient sich mit einer seichten RomCom nach der anderen eine goldene Nase. Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu beweisen in Maximilian Erlenweins STEREO, dass sie sich nicht in diese Schublade einsortieren lassen wollen. Im Gegenteil. Das auf der Berlinale uraufgeführte Psychodrama bewegt sich erfrischend weit weg vom gewohnten Mainstream. Erlenwein inszeniert absolut überzeugend ein Psychogramm des Menschen auf dem Weg von Böse nach Gut und wieder zurück. Erik scheint das geruhsame Landleben zu genießen, aber sein Äußeres und die Hinweise auf eine düstere Vergangenheit deuten auf etwas anderes hin. Welche ist seine „wahre“ Persönlichkeit? Und welche ist nur gespielt? Vieles bleibt der eigenen Interpretation überlassen, gerade die langen und meditativen Landschaftsaufnahmen laden zum Reflektieren ein. Gleichzeitig scheint sich Erlenwein an amerikanischen Meilensteinen der filmischen Charakterstudien zu orientieren. So originell Stereo in deutschem Kontext ist, so sehr wirkt das Werk auch als Hommage. Der gespaltene Charakter erinnert an Fight Club; Farben, Soundtrack, Erzählgeschwindigkeit und Brutalität an Drive; und Szenen mit einer mehr oder weniger übernatürlichen Heilerin lassen sofort an die Orakel-Momente in Matrix denken. Trotzdem wirkt „Stereo“ in keinem Moment nachgemacht, ist er doch in vielerlei Hinsicht anders. Zum einen ist er in gewisser Weise noch skurriler, damit leider in manchen Momenten auch unnahbarer. Zum anderen ist er aber auch – gerade in Dialogen und Charakterzeichnung – lebensnäher und bodenständiger, wo die Vorbilder doch stilisierter, gekünstelter wirkten. Hier kommen die Hauptdarsteller ins Spiel. Jürgen Vogel brilliert im Spannungsfeld von dörflicher Heimeligkeit und brutaler Vergangenheit, ihm nimmt man die Sehnsucht nach innerem Frieden, die psychische Verwirrung, aber eben auch die Grimmigkeit, das „Böse“ absolut ab. Moritz Bleibtreu als Henry kommt zwar nicht an Brad Pitt’s Tyler Durden heran, macht sich aber dennoch außerordentlich gut in seiner gruselig-verschmitzten Rolle. Die beiden zeigen damit, dass es nicht nur die Ideen, sondern auch den Willen großer Namen in Deutschland gibt, mutige Schritte im Filmgeschäft zu tun. Denn „Stereo“ ist aus handwerklicher wie inhaltlicher Sicht überraschendes und überragendes Kino made in Germany. Erlenwein gelingt es, fesselnde Puzzle-Inszenierung mit aalglatter, schöner Optik und einem wummernden, grandiosen Soundtrack zu vermengen.

Fazit: Skurril, brutal, packend – das deutsche Kino bewegt sich in die richtige Richtung dank Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu.

FSK ab 16 LogoOriginaltitel:           STEREO 
Produktionsland/-jahr:   DE 2014
Laufzeit:                95 min
Genre:                   Thriller

Regie:                   Maximilian Erlenwein
Drehbuch:                Maximilian Erlenwein 
Kamera:                  The Chau Ngo          

Verleih:                 EuroVideo

STEREO || erhältlich auf DVD und Blu-ray.

(Quelle: vipmagazin)