2013 sahen rund sieben Millionen Menschen das Resozialisierungsprogramm Fack ju Göhte. “Doch die Logik des Kapitalismus hat ihre Zwänge und unbarmherzigen Gesetze”, um Christoph Schröder von der Zeit Online zu zitieren. Somit war eine Fortsetzung nicht von der Hand zu weisen. Jetzt ist es soweit: In FACK JU GÖHTE 2 geht es für Chaos-Lehrer Zeki Müller und seine Schüler auf Klassenfahrt nach Thailand – jedoch nicht ganz uneigennützig.
Inhalt
Alle lieben Haudrauf-Lehrer Zeki Müller (Elyas M’Barek), aber den nervt sein neuer Job an der Goethe-Gesamtschule: frühes Aufstehen, aufmüpfige Schüler und dieses ständige Korrigieren! Zu allem Überfluss will Power-Direktorin Gerster (Katja Riemann) die altsprachliche Konkurrenzschule ausbooten und dem Schillergymnasium die thailändische Partnerschule abjagen. Ihr Traum: Das Image der Goehte-Gesamtschule steigern, um Aushängeschild der neuen Kampagne des Bildungsministeriums zu werden. Müller und Schnabelstedt (Karoline Herfurth) werden zur Klassenfahrt in ein thailändisches Küsten-Kaff verdonnert. Im fernen Thailand drehen Chantal (Jella Haase), Zeynep (Gizem Emre), Danger (Max von der Groeben) & Co erst so richtig auf und präsentieren ein schillerndes Spektrum an sozialer Inkompetenz. Und als ob Zeki mit dem wilden Lehrer-Schüler-Krieg nicht schon genug zu tun hätte, entbrennt auch noch ein gnadenloser Konkurrenzkampf mit dem elitären Schillergymnasium und dessen versnobtem Vorzeigelehrer Hauke Wölki (Volker Bruch), der nur ein Ziel hat: Müllers Karriere zu beenden!
Kritik
So sieht es in deutschen Klassenzimmern aus! Ein Fakt, eine Momentaufnahme, ein Relikt des alltäglichen Wahnsinns, ein Zeugnis einer Klasse am Rande des Hirntods. Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin schrieb mit Fack ju Göhte Kinogeschichte. Ein Feuerwerk der Lacher und Pointen. Ein gut durchdachtes System aus Proll, Prolet und Peinlichkeit. Ein System, welches den Nerv der Kinobesucher getroffen hat. Ein Impuls im deutschsprachigen Kino fernab von Michael “Bully” Herbig, Til Schweiger und Matthias Schweighöfer. Nun zwei Jahre nach dem sensationellem Erfolg von Fack ju Göhte versucht es Bora Dagtekin erneut, einen komödiantischen Impuls zu setzen, gerade rechtzeitig zum einsetzenden Herbst.
Nun, es ist uns eigentlich allen bewusst, das FACK JU GÖHTE 2 einiges bieten muss, um seinen Vorgänger in jeglicher Hinsicht zu überholen. Es bedarf Raffinesse, Pfiff, wenn nicht sogar mehr vom Proletariern in freier Wildbahn. Einen wichtigen Appell setze ich vorweg: erwartet nicht das Wunderwerk der modernen Kinoführung. Der Film steht im Schatten seines Vorgängers, aber wen überrascht es. Die Messlatte war auch enorm hoch. Doch woran liegt dies eigentlich? Schnell werden Parallelen gezogen mit den bekanntesten Beispiel “missglückter” Fortsetzungen eines Kassenschlagers: Hangover und seinem Alter Ego Hangover 2. Hier folgte man dem Prinzip. Der erste Teil war total witzig und erfolgreich, nehmen wir doch einfach die Geschichte, ändern einige Kleinigkeiten ab, verlässt für eine Inszenierung das Land und spielt den Konflikt per Reverse- und dann Play-Taste erneut ab. Dem gleichen Effekt folgt (leider) auch Fack ju Göhte 2. Unglücklicherweise lässt mich auch das Gefühl nicht los, in einer veränderten Form Türkisch für Anfänger – Der Film zu sehen. Doch dies konnte allein mein Eindruck sein. Nichtsdestotrotz gibt es viel gravierendere Probleme, worunter die Fortsetzung leidet. Massives Product Placement kann die Seele und die Botschaft eines Filmes stark stören, sogar zerstören. Fack ju Göhte 2 ist – höchstwahrscheinlich aus finanziellen Schwierigkeiten oder Annehmlichkeiten, auf die nicht verzichtet werden sollten – Opfer radikaler Bewirtschaftung geworden. Air Berlin, McDonald’s oder Orangina (wenig überraschend, da Elyas M’Barek das neue Werbegesicht ist), drängen sich schon fast widerlich in den Vordergrund. Vor allem McDonald’s erhält im Kontext von Tsunami-Opfern eine recht fragwürdige Präsentationsplattform. Weiteres Manko ist der Anteil von Sympathieträgern aus dem ersten Teil. Bei Jana Pallaske als Charlie wurde der Rotstift nicht zu wenig angesetzt und taucht nur noch in einer kleinen Gastrolle auf. Selbst Karoline Herfurth ist bei Weitem nicht mehr so präsent und was auch auf Katja Riemann zutrifft. Natürlich muss man den neuen Handlungsort berücksichtigen, aber irgendwie sind entscheidende Handlungsträger nicht mehr so spürbar und glänzen nur noch in vereinzelten Szenen mit altem Charme. Wenigstens müssen wir nicht auf unsere geliebte Uschi verzichten.
Aber es liegt nicht in meiner Natur nur gänzlich das Schlechte in einem Film zu sehen. Fack ju Göhte 2 nimmt sich diesmal einer Vielzahl an Problemen an. Lag der Focus im ersten Teil hauptsächlich auf der kriminellen Vergangenheit und vielversprechenden Zukunft von Zeki Müller sowie der damit verbundenen Rolle als Lehrer einer scheinbar hoffnungslosen Chaoten-Klasse, wird in der Fortsetzung viel breiter gefächert. Auch wenn sich Zeki Müller noch immer mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandersetzt mit dem Plus an Selbstzweifeln, werden Integration, Behinderung, Naturkatastrophen (nur angeschnitten), Familie und die Liebe stärker behandelt. Man merkt dem Film seinen Weg zu einer stärkeren Moral an und wird rein intellektuell nicht enttäuscht. Somit gewinnt der Film an Tiefe und Gehalt. Somit verzeiht man Dagtekin auch den nicht mehr so starken Drang auf Lacher und Pointen. Vieles was wir aus dem ersten Teil vermissen, wird elegant und humorvoll durch die Charaktere aufgefangen. Neben einem deutlich stimmgewaltigeren Elyas M’Barek, sind es eben auch Jella Haase, Max von der Groeben, Lucas Reiber alias Ploppi und nicht zuletzt auch Konkurrenz-Lehrer Hauke Wölki (gespielt von Volker Bruch), die den Film wunderbar über die 115 Minuten tragen. Auch wenn die Doofheit kein neues Mittel ist, so ist sie dennoch ein probates Mittel für den notwendigen Erfolg. Ob und inwiefern Fack ju Göhte 2 ein Kassenschlager wird, werden wir in den nächsten Wochen sehen.
Fazit: Resozialisierungsprogramm 2.0 – neben plakativer Werbung und geschmacklosen Sidekicks, tut sich doch so etwas wie humorvolle Unterhaltung auf. Drückt man als Zuschauer seine Erwartungshaltung und macht einen großen Bogen um den Trailer (der mitunter zu viel Handlung und Witze vorweg nimmt), kann man auch mit Fack ju Göhte 2 seinen Spaß haben. Hoffentlich kommt ein dritte Teil, denn die eigentliche Herausforderung ist es doch, diese Klasse durch das Abitur zu boxen.
Originaltitel: Fack ju Göthe 2 Produktionsland/-jahr: DE 2015 Laufzeit: 115 min Genre: Komödie Regie: Bora Dagtekin Drehbuch: Bora Dagtekin Kamera: Andreas Berger Kinostart: 10. September 2015 Home Entertainment: 25. Februar 2016 Verleih: Constantin Film
(Quelle: Constantin Film)